PARTEIWATCH: Paritätsgesetz

Die Gleichrepräsentation von Frauen und Männern ist noch immer nicht in deutschen Parlamenten angekommen. Nur 26% der Direkt- und 40% der Listenmandate der Bundestagswahl 2021 gingen an Frauen. Auch die jüngsten Landtagswahlen in Bayern und Hessen zeigen, dass obwohl Frauen circa 50% der Gesellschaft ausmachen, nur ein Viertel bis Drittel dieser Parlamente durch sie besetzt ist. Grund für diese Unterrepäsentanz sind fortbestehende strukturelle Barrieren und Geschlechterstereotype.

Frauen haben grundsätzlich niedrigere Chancen der Erlangung eines Direktmandats. Außerdem ist die parteipolitische Tätigkeit besonders für Mütter schwierig mit dem Familienleben und den daraus entstehenden Verpflichtungen zu vereinbaren.

Eine Art dieses Problem zu lösen, ist die Einführung von Paritätsregeln. Diese können die demokratische Legitimation der Wahlen sichern und sind zudem im Sinne des Europäischen Demokratieverständnisses und europäischer Rechtssprechung (EGMR).

Frankreich geht mit gutem Beispiel voran: Hält dort eine Partei das Paritätsgesetz nicht ein, wird sogar die staatliche Finanzierung gekürzt.

Auch in Deutschland trifft dieser Ansatz bereits einiger Orts auf breite Zustimmung: Sowohl Thüringen, als auch Brandenburg beschlossen 2020 ein entsprechendes Paritätsgesetz, welches, nachdem AfD und NPD Klage erhoben, durch die jeweiligen Landesverfassungsgerichte gekippt wurde.

Das Brandenburgische Paritätsgesetz hätte von Parteien zur nächsten Landtagswahl erfordert, die Kandidierendenlisten abwechselnd mit Frauen und Männern zu besetzen. Das Landesverfassungsgericht sah darin eine Verletzung der Rechte der beschwerdeführenden Parteien NPD und AfD, konkret in ihrer Organisations- und Programmfreiheit, Wahlvorschlagsfreiheit und Chancengleichheit – Rechte, die in unserem Grundgesetz verankert sind. Das Gericht argumentierte, dass das Ziel der Erhöhung des Frauenanteils im Landtag die Änderungen im Wahlrecht nicht legitimieren. Der Prozess der Listenaufstellung müsse frei von staatlicher Einflussnahme bleiben, um die Offenheit des Willensbildungsprozesses zu gewährleisten. Durch das Paritätsgesetz würden Bewerber:innen ausgeschlossen, jene Parteien mit unausgewogenem Geschlechterverhältnis in den eigenen Reihen hätten zusätzliche Schwierigkeiten im Listenaufstellungsprozess und Unterschiede in Parteiprogrammen würden verwischt, so das Gericht. In Thüringen erfolgte das Scheitern eines entsprechenden Gesetzes ebenso einer solchen Argumentation folgend.

Auch der Bundestag erkannte die fehlende Repräsentanz von Frauen im Parlament als Problem und setzte die Kommission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit zu Beginn der Legislaturperiode ein. Diese Wahlrechtskommission sollte neben Vorschlägen zur gleichberechtigten Repräsentanz von Frauen im Bundestag, außerdem Möglichkeiten zur Verkleinerung des Parlaments, zur Absenkung des Wahlalters und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit erarbeiten.

Obwohl Grüne, SPD und Linke schon seit Jahren Wahllisten verbindlich alternierend besetzen und in parteieinternen Verfahren eine Frauenquote sicherstellen, sind paritätische Vorgaben im Satzungsrecht noch keiner Partei inbegriffen.

Die verfassungsrechtlichen Implikationen einer Paritätsregelung, besonders die Zulässigkeit und Erforderlichkeit, werden von der Kommission noch unterschiedlich bewertet. Zunächst würde ein Paritätsgesetz die Wahlrechtsfreiheit und -gleichheit (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG) tangieren, wonach die freie Wahl und Aufstellung parteieigener Kandidierender zu gewährleisten ist, wobei das Wahlvolk jedoch keinen Einfluss auf die personelle Besetzung der Wahllisten hat. Außerdem ist die Anwendung des Demokratieprinzips (Art. 20 GG) strittig, da grundsätzlich die politische Repräsentation von persönlichen Eigenschaften unabhängig erfolgen soll, die tatsächliche Homogenität der Abgeordneten jedoch eine geringere Berücksichtigung der Interessen unterrepräsentierter Gruppen zur Folge hat. Wie oben angeführt, wäre die Parteienfreiheit (Art. 21 Abs. 1 GG) ebenso betroffen.

In Art. 3 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes besteht in Deutschland hingegen auch ein Gleichstellungsgebot und Diskriminierungsverbot. Konkret heißt es „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“ (Art. 3 Abs. 2 GG). Die Kommission ist sich derzeitig noch unsicher, ob dieses Gebot einen Eingriff in die anderen Verfassungsgüter rechtfertigt.

Aus den Reihen der Kommission gehen jedoch folgende Vorschläge zur Erhöhung des Frauenanteils im Bundestag hervor:

  • Einführung einer Pflicht der Parteien, eigene Zielvorgaben für den Anteil an Frauen in ihren Wahlvorschlägen zu den Bundestagswahlen zu setzen
  • Landesverbände der Parteien zu Wahlkreisaufstellungen der Kandidierenden einbinden
  • Transparenteres Kandidierendenaufstellungsverfahren in den Parteien (insb. Nicht-öffentliche Delegiertenversammlungen zur Aufstellung von Wahlkreiskandidaturen)
  • Die Mindestanforderungen an eine Partei im Parteiengesetz um eine Befassungs- und Dokumentationspflicht zu Gleichstellungsfragen erweitern
  • Kürzung/Erweiterung von staatlichen Zuschüssen der Parteienfinanzierung bei Erfüllen/Nichterfüllen von paritätischen Maßnahmen
  • Schaffen finanzieller Zuschüsse mit einer Erhöhung der Abgeordnetenpauschale für diejenigen MdB, die Sorgearbeit leisten
  • Einführung familienfreundlicher Sitzungszeiten und Erweiterung des Abgeordnetengesetzes um Regelungen zu Mutterschutz und Elternzeit
  • Einführung eines Kodex zu gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in der Politik


Fazit:
In ihrem Abschlussbericht vom Mai 2023 war sich die Wahlreformkommission über eine notwendige Erhöhung des Frauenanteils im Parlament zwar einig, klare Vorschläge zu Gesetzesinitiativen konnten jedoch nicht gemacht werden. Grüne und SPD sind zwar für die Einführung eines Paritätsgesetzes, die FDP hält dies jedoch für verfassungswidrig, weshalb die Ampelregierung hier noch keine Einigkeit erreichen konnte. Die Linke ist für die Einführung eines Paritätsgesetzes für mehr Chancengleichheit bei der Kandidatur.

Die CDU/CSU-Fraktion ist gegen eine starre Quote, sondern eher für ein Maßnahmenpaket, wie beispielsweise den oben erwähnte Kodex und Regelungen zum Mutterschutz.

Es bleibt demnach abzuwarten, ob und wenn ja, wann und wie eine Regelung in Kraft tritt, welches die Gleichrepräsentation von Frauen in Parlamenten sicherstellt.

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