PARTEIWATCH: SPD Bayern – Aufstellung der Landesliste für 2023

Bereits im Dezember letzten Jahres und damit als erste Partei in Bayern, hatte die SPD ihre Kandidierenden-Listen für die Landtagswahl aufgestellt. Schon im Oktober war mit Florian von Brunn auf dem Landesparteitag der Spitzenkandidat nominiert worden. Dieser verkündete in altbekannter Wahlkampfmanier, dass man nur das Beste für „unser Bayern“ wolle, und zwar „aus Tradition“ [1]. Inwiefern diese Tradition Eingang in die Landeslistenaufstellung gefunden hat, beleuchtet dieser Blogbeitrag. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Kriterien Transparenz und Diversität. 

Exkurs: Bayerische Extrawurst

Der bayerische Landtag wird am 8. Oktober 2023 nach dem „verbesserten Verhältniswahlrecht“ [2] gewählt. Zum Verständnis, wieso das bayerische Wahlsystem ein besseres sein soll und wieso es keine einheitlichen Landeswahllisten gibt, machen wir hier zunächst einen kleinen Exkurs in bayerische Wahlrecht. 

In Bayern gibt es sieben Regierungsbezirke: Jeder Regierungsbezirk stellt bei der Landtagswahl einen Wahlkreis dar. Innerhalb dieser Wahlkreise werden die Sitze nach dem Prinzip der Verhältniswahl verteilt, sodass der Verhältnisausgleich (Überhang- und Ausgleichsmandate) nur innerhalb des Wahlkreises und nicht landesweit erfolgt. 

Die Wahlkreise werden zudem in Stimmkreise unterteilt. Vorgesehen ist, dass Stimmkreise entsprechend der Landkreise (bzw. kreisfreien Gemeinden) gebildet werden, wobei es einige Besonderheiten zu beachten gilt. Im Ergebnis entsprechen die Stimmkreise dem, was man bei der Bundestagswahl als Wahlkreis bezeichnet. 

Pro Stimmkreis wird ein Abgeordneter direkt gewählt. Mangels landesweiten Verhältnisausgleichs gibt es auch keine gemeinsame Landesliste einer Partei, sondern Wahlkreislisten der jeweiligen Bezirksgruppen. Die Wahlkreislisten enthalten auch die Stimmkreisbewerber*innen. 

Mit der Erststimme wählen die Bayer*innen den*die Stimmkreiskandidat*in. Bei der Zweitstimme gibt es einen weiteren Unterschied zur Bundestagswahl: Es ist ebenfalls eine Personenstimme. Das heißt, sie wird einem*r bestimmten Kandidaten*in gegeben, wobei sie gleichzeitig auch als Stimme für die Partei gewertet wird. 

Im Stimmkreis gewinnt der*die Bewerber*in mit den meisten Erststimmen das Direktmandat. Bei den Wahlkreisstimmen werden für die Sitzverteilung Erst- und Zweitstimmen addiert. Wenn die danach zu besetzende Anzahl an Sitzen die Anzahl der direkt gewonnenen Stimmkreise übersteigt, werden die zusätzlich gewonnenen Sitze an die Bewerber*innen der Wahlkreisliste mit den meisten Gesamtstimmen vergeben. Hierbei bleiben erfolgreiche Stimmkreis-Bewerber*innen außer Betracht. Somit hat der Listenplatz eines*r Kandidaten*in zumindest theoretisch keinen direkten Einfluss auf die Mandatschancen. 

Im Hinblick auf die SPD Bayern führt dieses Wahlsystem dazu, dass jede der sieben bayerischen SPD-Bezirksgruppen eine eigene Wahlkreisliste aufgestellt hat. 

 

Prozedere

Zuständig für die Aufstellung der Wahlkreislisten ist ausschließlich die jeweilige Bezirksvertreterversammlung [3]. Zu dieser Versammlung kommen Vertreter*innen aus den SPD-Ortsgruppen innerhalb der Stimmkreise, die sogenannten Delegierten. Diese Delegierten werden auf Stimmkreiskonferenzen gewählt, die wiederum aus Delegierten der Ortsvereine bestehen. Dazu, ob auf den Bezirksvertreterversammlungen über die Listenaufstellung direktdemokratisch abgestimmt wird oder eine bereits im Vorhinein festgelegte Liste beschlossen wird, findet man in öffentlich Quellen leider keine Informationen. 

Qua Satzung ist die SPD Bayern zur paritätischen Besetzung der Listen verpflichtet. Ist ein Geschlecht unter den Direktbewerber*innen mit weniger als 40 Prozent vertreten und ein amtierender Abgeordneter scheidet aus, muss sich der Vorstand um Nachfolger*innen des unterrepräsentierten Geschlechts bemühen [4]. Das war es aber auch bereits, was die Satzung an Anforderungen in Bezug auf die Inklusion unterrepräsentierter Gruppen bei der Listenaufstellung vorsieht. 

Vorrang bei der Listenplatzierung ist grundsätzlich den Stimmkreiskandidat*innen einzuräumen [5]. Allerdings dürfte die Position auf der Liste im bayerischen Wahlsystem zumindest in der Theorie die Mandatschancen eines*r Kandidaten*in nicht beeinflussen. 

 

Realitätscheck

Sucht man im Internet nach den Landeslisten der SPD Bayern braucht man etwas Geduld, findet man auf der Website der SPD Bayern eine Aufstellung der Direktkandidierenden bzw. Stimmkreiskandidierenden aller Bezirke. Für die Bezirke Schwaben, Unterfranken, Mittelfranken, Oberpfalz und Oberbayern ist auch die gesamte Liste einsehbar. Soweit sich dies nachvollziehen lässt, wurden die aufgestellten Spitzenkandidat*innen jeweils mit großer Mehrheit bestätigt. Es setzt sich also fort, was bereits bei vorherigen Wahlen beobachtet wurde: Der Begriff Wahlen steht an dieser Stelle vielmehr als Euphemismus für ein rein formelles Prozedere [6].

Hinsichtlich der parteiinternen Vorgabe der paritätischen Listenbesetzung lässt sich zumindest ein Wille zur Umsetzung erkennen: Bei den einsehbaren Aufstellungen sind die Listen auf den vorderen Rängen paritätisch besetzt [7]. Bei einem genaueren Blick zeigt sich allerdings, dass Parität zugunsten des Primats der Stimmkreiskandidierenden zurückstehen muss. In den fünf Bezirken gibt es zwei Spitzenkandidatinnen; die Listen weisen insgesamt mehrheitlich männliche Kandidaten auf. Allerdings variieren hier die Listen der einzelnen Bezirke doch erheblich: Während in Oberbayern weniger als die Hälfte der Kandidierenden Frauen sind, stehen auf der Liste der SPD Schwaben zwei Kandidatinnen mehr als Kandidaten. Unter dem Aspekt der Diversität gilt es ferner zu erwähnen, dass es unter den wenigen Kandidat*innen mit internationaler Geschichte einen Spitzenkandidaten gibt. 

Dass nicht in allen Bezirken die kompletten Wahllisten einsehbar sind,  könnte man versuchen damit zu erklären, dass das bayerische Wahlsystem durch die Berücksichtigung von Erst- und Zweitstimme bei der Sitzvergabe nach Wahlkreisliste dem Wählenden mehr Einfluss im Hinblick auf die gewählte Person einräumt. Damit wäre der lokale Wahlkampf am Ende bedeutsamer für den Erfolg ist. 

 

Fazit

Beim Blick auf die Listen der SPD Bayern für die Landtagswahl stellt sich eher Ernüchterung als Zuversicht ein. Zwar sind insbesondere im Hinblick auf die Förderung von Frauen* wichtige Ansätze bereits vorhanden, dafür mangelt es ansonsten an erkennbarer Anstrengung anderen politisch unterrepräsentierten Gruppen die Möglichkeit politischer Präsenz zu schaffen. Am Ende sind die Listenzusammensetzungen damit – wie es Spitzenkandidat Florian von Brunn ankündige – ganz im Sinne der Tradition. 

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